New Orleans Jazz und Dixieland

von ROLf MARTIN

Um 1900 entstand im Süden der USA eine Musik, die man heute als Jazz bezeichnet. Obwohl New Orleans sicher die wichtigste Stadt war, in der diese Musik kultiviert wurde – bis in die 1930er Jahre stammte die Hälfte aller bekannten Jazzmusiker von dort – war sie nicht die einzige. In Memphis, Kansas City, Dallas oder St. Louis entstanden ähnliche Spielweisen. 

Die große Bedeutung von New Orleans lässt sich an einigen Punkten festmachen. Die im Mississippidelta gelegene Stadt war 40 Jahre lang die Hauptstadt der französischen Kolonie Louisiana, dann war sie weitere 40 Jahre spanisch bis sie 1803 US-amerikanisch wurde. Das Zusammenwirken verschiedener Nationalitäten und Kulturen bot offenbar das geeignete Spannungsfeld und den Nährboden, aus dem sich Neues entwickeln konnte. Die Verschmelzung europäischer Musik mit den Spirituals, Blues und Work Songs der Afroamerikaner führte zu einem archaischen Musikstil, der vor allem als Marsch- und Tanzmusik beliebt war.

Die typische Besetzung einer New-Orleans-Band umfasste die drei Melodieinstrumente Kornett, Klarinette und Posaune, wobei das strahlende Kornett die Melodiestimme spielte, umrankt von der Klarinette und gestützt auf die tiefen Töne der Posaune. Das Charakteristische der neuen Musik waren ausgiebige Kollektiv-Improvisationen. Die Rhythmusgruppe mit Bass oder Tuba, Schlagzeug, Banjo oder Gitarre und gelegentlich Klavier, lieferte die rhythmisch-melodische Basis. Die rhythmische Spielweise wird als Two Beat bezeichnet, denn obwohl alle vier Schläge des 4/4-Takts gespielt werden, werden die Schläge 1 und 3 von der Basstrommel und vom Bass betont wie in der europäischen Marschmusik.

Vor allem die aus der französisch-kolonialen Mischkultur hervorgegangenen kreolischen Schwarzen brachten viele klingende Namen hervor wie Alphonse Picou, Sidney Bechet, Barney Bigard, Kid Ory, Jelly Roll Morton, Johnny St. Cyr u.v.a. mehr.

Schon früh haben in New Orleans auch weiße Bands diese Art Musik gespielt. Dixieland nannten sie ihre Musik, die vielleicht technisch etwas geschliffener war als die Musik der Schwarzen, dafür aber weniger expressiv. So stammen die ersten Tonaufnahmen dieser frühen Jazzform aus dem Jahr 1917 von der „Original Dixieland Jass Band“ oder 1922 von den „New Orleans Rhythm Kings“. 

Von großer Bedeutung für die Entstehung des Jazz in New Orleans war das Vergnügungsviertel Storyville, das vielen Jazzmusikern in Koexistenz mit den dort arbeitenden Damen ein sicheres Auskommen bescherte. Dieses kreative Miteinander wurde jäh beendet, als 1917 die USA in den ersten Weltkrieg eintraten und die Stadt als Kriegshafen eine wichtige Funktion bekam. Da man in der Marine um die Kampfbereitschaft der Truppe fürchtete, wurde Storyville kurzerhand geschlossen, und die arbeitslos gewordenen Musiker fuhren den Mississippi hinauf und exportierten ihre Musik nach Chicago.