Kaum eine andere Musikform hat im Jazz derartig deutliche Spuren hinterlassen wie der Blues. Die schon im 19. Jahrhundert in den Südstaaten der USA entstandene instrumentale und vokale Musikrichtung hat sich formbildend in vielen Jazzstilen manifestiert. Mit der Verpflichtung des Ignaz Netzer Quartetts hat der Jazz-Club Schloss Köngen den Nerv des Publikums getroffen, denn die Band faszinierte in der ausverkauften Schlosskapelle mit einem mannigfaltigen und überzeugenden Programm.
Die vier Musiker Ignaz Netzer, Werner Acker, Hansi Schuller und Thomas Keltsch lassen schnell erkennen, dass als gemeinsamer Nenner der Blues in ihren Adern fließt und sie sich innerhalb des Formschemas die Bälle routiniert und gekonnt zuwerfen. In zahlreichen Eigenkompositionen, aber auch allseits bekannten Standards wandeln sie mit sichtlicher Begeisterung und Spielfreude auf den Spuren des Blues.
Gleich im Eingangstitel „Good Morning Blues“, im klassischen 12-taktigen Schema präsentiert, setzte das Quartett Maßstäbe und glänzte in wunderbarer Harmonie zwischen akustischer Gitarre, E-Gitarre, Gesang und Rhythmusgruppe. „Kein amerikanisches Publikum würde der Musik so diszipliniert beiwohnen“, so drückte sich Ignaz Netzer aus und lockte im Titel „Jesus Is On The Main Line“ das Publikum spontan aus der Reserve und sorgte für lautstarkes Mitklatschen und Mitsingen.
Überhaupt erwies sich Bandleader Ignaz Netzer als begnadeter Moderator, der launig und punktgenau seine Kommentare setzte und mit gelegentlich subtilen „Understatements“ den Geschmack der Zuhörer traf. Als Blues-Ikone wird er seinem Ruf absolut gerecht, denn sein Spiel auf unterschiedlichen Akustikgitarren gleicht einem emotionalen Feuerwerk durch versiertes „Fingerpicking“, ausgereifte Slide-Technik, den Einsatz verschiedener Klangfarben und markante Soli. Die Saiten malträtiert er stellenweise fast ekstatisch.
Was ihn besonders auszeichnet, ist seine Stimme, die sich im Spannungsfeld zwischen rauchiger, „schwarzer“, rauer oder kehliger Ausprägung und manchmal klarer, weicher oder melancholischer Ausdrucksweise bewegt. In den Titeln „Dust My Broom“ und „Rambling on My Mind“ ließ er die ganze Bandbreite seiner stimmlichen Fähigkeiten erklingen. Eine zusätzliche Bereicherung erfuhr das durch B. B. King bekannt gewordene Stück „The Thrill Is Gone“ in seinem hervorragenden Mundharmonikaspiel. Alles in allem eine runde und meisterhafte Leistung.
Als kongenialer Partner steht ihm Werner Acker an der E-Gitarre in Form einer Halbresonanzgitarre zur Seite. Dass die beiden sich blind verstehen, ist auf eine jahrelange Zusammenarbeit auch im Duo zurückzuführen. Werner Acker umrahmt und ergänzt das musikalische Geschehen feinfühlig und dezent in „Fill-ins“ mit angemessener Klangfärbung, durch Einzeltöne, partielle Akkorde, chromatische Abfolgen oder lässt in solistischen Einlagen seine ganze Professionalität aufblitzen. Die Titel „When The Music Is Over“ und „Backwater Blues“ gaben ihm die Freiräume für wunderschöne Soli, die er mit Empathie und wohlüberlegt ausführte. Das Abspulen von irgendwelchen Skalen gehörte nicht zu seinen Markenzeichen.
Die beiden Rhythmiker Hansi Schuller am Kontrabass und Thomas Keltsch am Schlagzeug trugen ebenfalls zum Gesamterfolg der Formation bei und leisteten einen souveränen Beitrag. Hansi Schuller zupfte seinen Kontrabass in allen Lagen sauber sowie klar phrasiert und legte einen rhythmischen, soliden Klangteppich. Thomas Keltsch bediente Trommeln und Becken versiert mit seinen Stöcken und Besen, sorgte für den notwendigen „Drive“ und steuerte die dynamischen Abläufe dezent.
Nach einem der Höhepunkte mit dem Titel „Midnight Special“, der zu einer fulminanten Interaktion zwischen Musikern und Publikum führte, neigte sich ein erfüllender Konzertabend mit berauschenden Gitarrenklängen dem Ende zu. Das Publikum konnte sich mit einem bluesigen Nachhall auf den Nachhauseweg machen, aber auch mit dem Wissen, etwas über Ignaz Netzers Kater Willy gelernt zu haben, denn diesem war die Zugabe „Rockin‘ My Blues Away“ gewidmet.