Konzertbericht

Nürtinger / Wendlinger Zeitung

Betörende Klangkaskaden in bestechender Brillanz

Das Virginia MacDonald Quintet sorgte in der Schlosskapelle für Furore. Kurzer Zwischenstopp der internationalen Besetzung in Köngen auf dem Weg nach Hamburg.

Virginia MacDonald Quintet, Jazz-Club Köngen, 31.05.2024
Die Allstar-Besetzung glänzte mit markant arrangierten Titeln. Foto: Albrecht Nissler

In der nordamerikanischen Jazzszene gilt sie schon lange als Geheimtipp und als „Shooting Star“ an der Klarinette. Im Rahmen einer großen Europa-Tournee gastierte Virginia MacDonald nun mit ihrem Quintett im Köngener Schloss und bescherte dem heimischen Jazz-Club in der ausverkauften Schlosskapelle einen kurzweiligen und spannenden Abend. Die aus Kanada stammende Klarinettistin sorgte mit ihren vier Mitstreitern aus den USA, Italien und Österreich für Furore und setzte hohe musikalische Maßstäbe. Die Allstar-Besetzung glänzte nicht nur mit frisch und markant arrangierten Titeln aus der reichhaltigen Welt des Jazz, sondern auch mit eingängigen Eigenkompositionen.

Zum Auftakt erwies sich der Titel „It’s You or No One“ gleich als richtungsweisend. In flottem Tempo und bebopartig angehaucht wurde dieser in einem modernen Gewand präsentiert. In ausgeklügelter Arbeitsteilung konnten sich Joe Magnarelli an der Trompete, Andrea Pozza am Piano und Virginia MacDonald an der Klarinette solistisch in Szene setzen, präzise gesteuert von Bernd Reiter am Schlagzeug und fein grundiert von Aldo Zunino am Kontrabass.

Nicht nur musikalisch hatte die Band das Publikum schnell für sich gewonnen, auch Bandleader Bernd Reiter ließ durch seine Worte Freude aufkommen: „In diesem schönen Club mit nettem Publikum und in toller Atmosphäre fühlt man sich wie daheim.“ In „Tadd’s Delight“ kam noch einmal der Bebop zu Ehren, während der von Duke Ellington stammende Jazzstandard „Isfahan“ durch einen gediegenen „Walking Bass“ mehr Ruhe ausstrahlte und in “Blue Key“ ein leichter latinartiger „Touch“ nicht zu überhören war.

Ideenreichtum und
spielerische Glanzlichter

Als einer der Höhepunkte gestaltete sich der Titel „Lament for a Better Tomorrow“, in dem eine wunderschöne Melodie an der Klarinette mit langgezogenen Tönen im Hintergrund kontrastierte. Ein Rhythmuswechsel führte zu einem schnelleren Basslauf mit sich nun öffnenden Freiräumen für die Solisten. Joe Magnarelli an der Trompete zeigte sein ganzes Können in atemberaubenden Skalen und sauber erzeugten Tonfolgen. Fast betörend wirkten seine Klangkaskaden in Verbindung mit ekstatischem Auftreten. Als kongeniale Partnerin erwies sich Virginia MacDonald in ihrem Klarinettenspiel, die schon eine beachtliche Reife offenbarte und ihr Instrument in allen Tonlagen mit sicherer Intonation bediente. Auch sie bestach mit Ideenreichtum und Brillanz und setzte spielerische Glanzlichter.

Am Flügel begleitete Andrea Pozza das Geschehen je nach Eigenart des Musikstiles äußerst souverän. In seinen Soli zeichnete er sich durch rasante Ritte über die Tasten aus, mit makelloser Finger- und Anschlagtechnik. Meist in Einzeltöne verpackte Skalen waren seine dominante Spielweise, akkordisch angelegte oder oktavische Passagen gehörten weniger zu seinem Repertoire. Als meisterhafte Leistung entpuppte sich sein Solo im Titel „Firm Roots“.

Die beiden Rhythmiker Aldo Zunino und Bernd Reiter spielen seit vielen Jahren zusammen, verstehen sich fast telepathisch und sorgen somit für ein solides Grundmetrum. Aldo Zunino zupfte versiert die Saiten seines Basses und beherrschte alle Lagen seines monströsen Instrumentes mit Bravour. In „Last Call at Dimitri’s“ gab er in einem Solo ein grandioses Beispiel für seine technischen und auch empathischen Fähigkeiten. Mit Bernd Reiter besitzt die Band einen Steuermann, der nicht nur musikalisch die Fäden in der Hand hält, sondern auch organisatorisch für die Band eine echte Stütze ist. In mehreren Soli gewährte er dem Publikum einen Einblick in seine Aktionen an Becken und Trommeln, die meist in einem emotionalen Feuerwerk endeten. Alles in allem eine professionelle Leistung.

Nach einem wunderbaren Konzerterlebnis mit blitzsauberen Unisono-Passagen zwischen Trompete und Klarinette, abwechslungsreichen Schlusstakten, die einmal rockig, gelegentlich dissonant oder mit einem Ritardando ausklangen, wurde vom Publikum eine Zugabe lautstark eingefordert. Der Titel „I’ve Never Been in Love Before“ spiegelte noch einmal die schönsten Seiten des Abends wider: Harmonie, musikalische Perfektion, Begeisterung und Emotionen.

Diesen Konzertbericht präsentieren wir Ihnen hier mit freundlicher Genehmigung von

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