Konzertbericht

Vierzylinder mit TurboTrio und Kühlerfrau

Im Köngener Jazzclub gastierten die Powerjazzer von Aircrush
AirCrush - Jazz-Club "Schloss Köngen", 18.03.2016
Traditionellen Swing und zeitgenössische Arrangements klassischer Werke: AirCrush im Köngener Jazzclub. Foto: Wendang

Das Herz der Band seien die vier Posaunisten, sagte zur Begrüßung der Chauffeur dieses Boliden, und der Vergleich mit einem Automotor sei gestattet: Diejenigen, für die ein Auto auch ein Klangerlebnis ist, werden sich über die vergleichsweise bescheidene Zylinderzahl wundern. Wenn diese jedoch über so viel Hubraum verfügen und ihre Kolben derart schnell und aufeinander abgestimmt bewegen wie diese Vier, dann bleiben keine Wünsche offen, höchstens der, dass die Fahrt nicht zu schnell zu Ende geht.

Eine wahre Turbo-Rhythmusgruppe sorgt dafür, dass die Kraft der vier Herzen – und hier ignorieren wir die Kfz-Logik – in jeder Situation swingend auf die Straße gebracht wird, bei jedem Tempo, in jeder Kurve, vom ersten Takt bis zur satten Schlussfermate. Das Doppelgetriebe bilden Sebastian Wolfgruber am Schlagzeug und Sebastian Gieck am Kontrabass, die traumwandlerisch zusammen agieren. Beide spielen stets angepasst, nie zu laut und immer gruppendienlich, und das obwohl sie trotz junger Jahre schon einen individuellen Stil pflegen. So erklingt als Einleitung zum Titelsong der aktuellen CD „After the blue“ ein ungewöhnlich distinguiertes Schlagzeugsolo, in dem der Rhythmusfaden reizvoll umspielt wird vom Trommler, der im nächsten Stück ganz konventionellen „Fours“ die Ehre gibt oder die Jazzbesen bedient, als wäre die Kehrwoche nur für ihn erfunden worden.

Der Bassist scheint mit seiner Greifhand über das Griffbrett zu fliegen, kann so blitzschnell zwischen Begleitlinien und Melodiespiel wechseln und ist immer präsent, ohne seine Mitspieler zuzudecken. Das Rhythmustrio vervollständigt Tizian Jost, der souverän Klassik und Moderne in seiner Klaviertastatur vereinigt, tolle Soli perlen lässt wie (nicht erst, aber besonders) im Zugabenstück von Cole Porter und die harmonische Navigation sicherstellt.

Nach diesen drei Namen sei ein genauerer Blick unter die Motorhaube gestattet: Die einzige Bassposaune wird gespielt von Uwe Füssel, der mit diesem Schwergewicht wundervolle Melodien zelebriert wie in Slide Hamptons Arrangement des Thelonius-Monk-Klassikers „Round Midnight“ und sonst den Bläsersatz erdet. Wolfram Arndt pflegt einen mühelosen, kräftigen Posaunenton, der wie in Kai Windings „The party is over“ bis ins Samtige gehen kann. Solist vieler Stücke ist der noch junge Roman Sladek, immer aussagekräftig wie in Ellingtons „In a sentimental mood“, oft lyrisch wie in Slide Hamptons „Lament“.

Mit Letzterem die Band gegründet, die er jetzt leitet, hat Johannes Herrlich, seines Zeichens Posaunist, Arrangeur und Komponist. So erklingen aus seiner Feder eine Bachchoral-Bearbeitung mit Hard-Bop-Ausflügen und Solo des Meisters, oder die Soul-Spiritual Komposition „Mr. Soulbone“ für einen lieben Kollegen. Diese selten gehörte Brass-Section gewährt ungewöhnliche Klänge bis hin zum spätromantischen Genuss einer Fast-Wagner-Fanfare. Wenn sie dann noch eine Schalldämpferanlage benutzen, wie in „Throw it away“ die selten zu sehenden Bucket-Dämpfer (mit Filz gefüllte „Eimer“), ist nicht nur ein Technischer Überwachungs-Verein begeistert.

Mit kühler Stimme gegen das Heißlaufen

Letztgenanntes Stück ist das erste, in dem die Herrenriege – last but not least – ihre wunderbare Sängerin Antonia Dering mit kühler Stimme dem Heißlaufen entgegenwirken lässt. Abwechselnd an Größen wie Sarah Vaughn oder Billie Holiday erinnernd, spielt sie ohne große Gesten auf der Gefühlsskala, singt „Scat“-Soli oder übernimmt die Oberstimme des Bläsersatzes.

Im überwiegend englischsprachigen Repertoire stechen heraus der virtuos portugiesisch gesungene, spritzige Baden-Powell-Bossa und der Ralph-Benatzky-Tango aus dem Weißen Rössel am Wolfgangsee „Es muss was Wunderbares sein“.

Von dir geliebt zu werden, wie es weiter heißt, oder einfach immer so weiterzufahren mit diesem elegant-kräftigen Jazzgefährt – von zwei Pausen unterbrochen und bestens versorgt vom Jazzclub-Team. In der angenehmen Atmosphäre des Köngener Schlosses stimmten letztlich alle „in den Rückspiegel blickend“ dem ersten Titel des Abends zu, Cole Porters „It’s alright with me“.

Diesen Konzertbericht präsentieren wir Ihnen hier mit freundlicher Genehmigung von

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