Mit der Verpflichtung von Gretchens Pudel wandelte der Jazz-Club Schloss Köngen wieder einmal auf experimentierfreudiger Spur. Die fünf Musiker boten dem Publikum in der vollbesetzten Schlosskapelle ein reichhaltiges Programm, in dem sie deutsche Volkslieder, Gedichte und auch Kinderlieder in ein völlig neues Gewand steckten und mit vielen Überraschungsmomenten präsentierten. Seit über zehn Jahren verjazzt die Band aus der Pfalz deutsches Liedgut, verändert die Texte, unterlegt einen gefälligeren Rhythmus oder gibt der Melodie eine andere Richtung.
„Hier im Schloss Köngen fühlen wir uns pudelwohl“, so ließ Sänger Ralf Eßwein wissen und das nahm ihm jeder sofort ab. Mit Humor und Ironie führte er durch das Programm, das insgesamt mit musikalischer Leichtigkeit sowie einem frischen, fröhlichen und gelegentlich auch frechen „Touch“ rüberkam. So wurden altbekannte Titel entstaubt, recycelt, modernisiert und in einer äußerst gelungenen Metamorphose neu aufgelegt.
Der Fuchs, der die Gans gestohlen hat,
wird in einen neuen Kontext gestellt
Das Kinderlied vom Fuchs, der die Gans gestohlen hat, erscheint als Tragödie für Erwachsene, in der Herr Fuchs die Franzi und die Frau des Jägers gestohlen hat. Ralf Eßwein beendet das Stück mit eindringlicher Stimme: „Und die Moral von der Geschicht: Verführ die Frau des Jägers nicht!“ Der von Pianist Adrian Rinck komponierte und getextete Titel „Fuchs“ wurde so gezielt in einen neuen Kontext gestellt.
Ein Gänsehautmoment pur kommt auf, als das von Rainer Maria Rilke stammende Gedicht „Wunderliches Wort“ zusammen mit Adrian Rincks Ballade „Remembering June“ am Piano erklingt. Mit äußerst gefühlvollem Anschlag legt er eine wunderbare Grundlage, umrahmt von der sonoren und klaren Stimme Ralf Eßweins. Mit Jan Kamps Soliteilen an Posaune und Bassflügelhorn erfährt der zuerst melancholische Titel dann eine belebende Dimension. Alles in allem einer der Höhepunkte des Konzertabends.
Das Eingangsstück „Beide Augen zu“ bietet einen Rhythmus mit latinartiger Ausprägung, während „Du, Du, Du“ in einem flotten Dreiertakt für Abwechslung sorgt. Der Klassiker „Hänschen Klein“ wird gar mit einer bluesigen oder teilweise rockigen Spielweise interpretiert und reißt das Publikum förmlich mit.
Im Zentrum des Geschehens steht immer Sänger und Moderator Ralf Eßwein, der mit seiner flexiblen Stimme und in einer großen Bandbreite an Tonhöhen absolut überzeugt. Besonders hervorzuheben auch seine differenzierte und akzentuierte Aussprache der Liedtexte. Im Titel „Hänschen Klein“ lief er richtig heiß und sang sich ekstatisch in fulminante Crescendi. Gefällig auch eine gehörige Portion an Selbstironie in der Anmoderation zu diesem Stück.
Als musikalischer Kopf gilt Bandleader und Pianist Adrian Rinck. Es ist eine Freude seinem Spiel zu folgen, immer bedacht darauf, die Melodien nicht mit Tönen zu überfrachten, sondern mit wohlüberlegtem Anschlag dem Stück Nachdruck zu verleihen. Sehr empathisch umrahmt er die Gesangspartien oder lässt seine Qualitäten in kurzen „Fill-ins“ aufleuchten. In dem von ihm komponierten Titel „Ich bin ein König“ glänzte er auch mit perlenartigen Läufen in der rechten Hand und passenden „Voicings“ in der linken. Sein ganzes Können bewies er immer wieder durch sehr jazzige Soli.
Jan Kamp an der Posaune und am eher selten gehörten Bassflügelhorn nimmt ebenfalls eine dominante Stellung in der Band ein, wertet durch sein Spiel in der Interaktion mit dem Gesang und dem Piano die musikalischen Abläufe auf und versprüht in zahlreichen Soli noch zusätzlichen Charme. Sein Ansatz reicht von weich über kräftig bis zum „Dirty Play“, verschiedene Dämpfer bereichern zusätzlich das Tonspektrum. In „Augustin“ stach er in einem Solo souverän hervor.
Die beiden Rhythmiker Jan Dittmann und Julian Losigkeit bezeugen absolute Einigkeit und gute Abstimmung in ihrer Darbietung. Jan Dittmann bearbeitet mit Brillanz die Saiten seines Kontrabasses, während Julian Losigkeit mit technisch versiertem Spiel an Becken und Trommeln besticht.
In einem grandiosen Finale verabschiedete sich die Band mit „Irgendwo auf der Welt“ und manch einem wird danach die Frage nach Hoffnung, Glück, Zufriedenheit und damit dem eigenen Dasein durch den Kopf gegangen sein.